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Mittwoch, 23. März 2022

Raubgräber im Kanton Bern

Raubgräber haben einen vorgeschichtlichen Grabhügel auf dem Jolimont, einem Höhenrücken zwischen dem Bieler und Neuenburger See in der Schweiz getrichtert. In der Mitte gruben sie ein 2 m tiefes und 1,5 m breites Loch, um das Zentralgrab zu erwischen. Ob das gelungen ist, wie alt es war, wie gut es vielleicht erhalten war, ist unklar. (Vielleicht wurde auch gar nichts zerstört, denn bereits 1847 haben an den Grabhügeln Ausgrabungen stattgefunden, die zwar nach heutigen Maßstäben ebenfalls nicht gut waren, zu denen aber eine wenigstens rudimentäre Beschreibung vorliegt (Jahn 1850, 14).) Dem Archäologischen Dienst des Kantons Bern wurde die Raubgrabung bereits im Dezember 2021 gemeldet. Die Zerstörung wurde dokumentiert und das völig ungesicherte Loch zugeschüttet. 

Die Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern hat in einer Mitteilung vom Dienstag, den Fall zum Anlass genommen, auf die Raubgrabungsproblematik hinzuweisen.

 
Am 8. März 2022 berichteten in der Schweiz zahlreiche Medien mehr oder weniger mit dem Text der Pressemitteilung über Raubgrabungen auf dem Jolimont, der auf eine Pressemeldung des Archäologischen Diensts des Kantons Bern zurückgeht. Google findet diesen originalen Bericht übrigens nicht - jedenfalls nicht unter den obersten Treffern - wohl aber verschiedene der Medienberichte.

Ein Video greift am Folgetag die Story mit Erklärungen des Kantonsarchäologen Adriano Boschetti auf. Auch wenn das Video für Deutsche vielleicht etwas schwer vertändlich ist - hier wird einfach und schön erklärt, worin das Problem der Raubgräberei liegt.

 

Kein Einzelfall

Solche Raubgrabungen sind nun leider - auch darauf wird hingewiesen - kein Einzelfall. In Hessen beispielsweise werden dem LKA pro Jahr etwa 20 Fälle bekannt, wobei man davon ausgehen muss, dass dies nur ein Bruchteil der Fälle ist. Nicht alle Raubgrabungen fallen auf, nicht alle enden in so großen Löchern wie auf dem Jolimont. An manchen Fundstellen liegt die Kulturschicht direkt unter der Oberfläche und bereits mit einem Schaufelschurf wird ein Fund aus seinem Kontext gerissen, zumal wenn nicht einmal die Koordinaten dokumentiert werden.  

Vor ca 4 Jahren sind in Hessen nur halb so viele Raubgrabungen bekannt geworden
Die Kantnsarchäologie stellt fest, dass heimliche Raubgräberei ineben Achtlosigkeit die am häufigsten beobachtete Ursache von Schäden an archäologischen Stätten darstellt.
 

Die Hand von Prêles

Auch im Kanton Bern ist das Probem nicht neu. 2017 waren Sondengänger nur etwa 10 km entfernt bei Prêles auf einen Fund gestoßen, der sehr "schön" die Problematik zeigt. Gefunden wurde von Sondengängern eine aus Bronze gegossene Hand mit einem goldenen Armband. Sie waren indes nicht auf Gewinn aus und haben den Fund dem Archäologischen Dienst des Kantons Bern dann gemeldet. Der Schaden war jedoch schon erfolgt. Der Fund ist recht einzigartig. Eine Datierung kann also nicht über Vergleiche erfolgen. Glücklicherweise gibt  die Verzierung der Goldapplikation einen Hinweise, ebenso die Zusammensetzung der Bronze, die beide in die Bronzezeit passen. An den organischen Materialien, die der Befestigung der Golfolie auf der gegossenen Bronzehand dienten , konnte ein 14C-Datum gewonnen werden, das auf den Zeitraum zwischen 1507 und 1430 v. Chr. verweist. Mit der Hand wurde ein Bronzedolch abgeliefert, der zu dieser Datierung passt. Mit den Funden der Raubgrabung bleibt aber völlig unklar, was der Hintergrund dieser Funde darstellt, eine weitergehende Interpretation außer, dass es dort irgendetwas bronzezeitliches gab, ist nicht möglich. 
2018 wurde angesichts weiterer Raubgrabungen im Gelände eine Nachuntersuchung durchgeführt, bei der eine recht große Fläche geöffnet werden musst, um die eigentliche Fundstelle zu identifizieren. Dabei wurde ein von den Raubgräbern - trotz einer mit abgelieferten menschlichen Rippe - nicht erkanntes und gestörtes Grab entdeckt. Ein zur Hand gehörender Finger bestätigt den Fundort. Zwei Störungen  deuten an, wo Hand und Dolch gelegen haben könnten. Sie wären demnach Beigaben einer einzigen Bestattung, obgleich der Dolch wohl etwas später zu datieren ist. Nun gab es bei dem Befund jedoch noch ein drittes Raubgrabungsloch, in deren Boden Reste von Bronzepatina gefunden wurden, die darauf hindeuten dass hier eine weitere Grabbeigabe vorhanden war, die von irgendwelchen Raubgräbern geraubt wurde und nun verschollen ist. 
Das insgesamt schlecht erhaltene Grab war nur aufgefallen, weil in der Steinschüttung des ehemaligen Grabhügels "ein weniger dicht mit Steinen besetzter Bereich erkennbar" war, "der sich aber farblich nicht vom umgebenden Erdreich unterschied" (Schaer u.a. 2019, 62). Die Wühlereien der Raubgräber hätten dieses Indiz wahrscheinlich auch bald zerstört. Ob die Hand Teil eines Zepters oder einer Statue war, hätte sich ohne die Raubgrabungslöcher vielleicht klären lassen. Informationen, wie die Hand genau im Grab lag, waren nicht mehr zu gewinnen. Offen bleibt daher, ob die Hand im Alltag als medizinische Prothese diente. Es war bei der Nachgrabungen auch nicht mehr möglich, festzustellen, ob dem Bestatteten tatsächlich die rechte Hand fehlte. 
Obwohl der Sondengänger die Funde abgeliefert hat, wurde er zu einer Strafe von 2500 Franken verurteilt. Die Suche nach archäologischen Funden mit Hilfsmitteln ist in der Schweiz genehmigungspflichtig. Der Sondengänger hatte aber keine Genehmigung und hat wichtige Erkenntnismöglichkeiten zerstört. 
 
Skizze der Hand von Prêles
(Graphik: Rommy Ueckermann [CC BY SA 4.0]
via Wikimedia Commons)

 
 
Es ist ein nicht auflösbares Paradox, dass Sondengänger ihre Funde beim Auffinden zerstören. Ohne den Funde wüsste man nichts über die Fundstelle, aber die Nachuntersuchung kann nur noch retten, was zu retten ist und m´die entscheidenden Fragen zur genauen Fundsituation nicht mehr zweifelsfrei klären. Übrigens zerstört auch jede Grabzng den archäologischen Befund, doch wird hier durch ein schrittweises kontrolliertes Vorgehen die Befundsituation dokumentiert und zwar möglichst mit den Möglichkeiten der Zeit. Und diese Möglichkeiten werden immer besser, durch geophysikalische Metoden, neuen archäometrischen Analyseverfahren oder eben einfach auch durch die Digitalisierung die heute auch 3D-Modelle eines Befundes ermöglicht.
Die Genehmigungspflicht rührt eben daher, dass beim Sondeln allzu leicht wesentliche Befundsituationen zerstört werden.

Dieser Fall spielt in der aktuellen Kommunikation der Raubgrabungen vom Jolimont eine Rolle, obwohl hier besonders auf die Zerstörumgen der archäologischen  Befunde hingewiesen wird und - anders als sonst üblich - nicht nur auf die einschlägigen Paragraphen verwiesen wird, sondern vorrangig der Verlust an Geschichte in den Mittelpunkt gestellt wird

Literatur

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