Interdisziplinarität ist das Schlagwort in allen Wissenschaften, da sich alle auf die Fahnen schreiben, die sich als Forschende verstehen. Ohne interdisziplinäre Kooperationen kommt so gut wie kein drittmittelfinanziertes Forschungsprojekt mehr auf den Weg und wer hat schon was gegen die spannende Zusammenarbeit mit Kolleg*innen benachbarter oder auch scheinbar nicht verwandter Fächer?
Die Mittelalterarchäologie musste in den 1970er und 80er Jahren ihre Daseinsberechtigung als Fach vor allem gegenüber der mittelalterlichen Geschichte erst beweisen. Laut waren die Vorbehalte zu Methoden, die man für vorgeschichtliche Zeiträume kannte und für historische Epochen als unnötig betrachtete.
Günter Fehring widmete in seiner Einführung in die Mittelalterarchäologie ein ganzes Kapitel der Abgrenzung des Fachs gegenüber seiner Nachbardisziplinen (Fehring 2003, 13-17). In einem kürzlich von Barbara Scholkmann, Hauke Kenzler und Rainer Schreg herausgegebenen Handbuch dagegenfehlt ein solches Kapitel (Scholkmann - Kenzler - Schreg 2016). Das kann man als Manko betrachten, ist aber auch ein Zeichendafür, dass eine Rechtfertigung der Mittelalterarchäologie nicht mehr von Nöten ist. Sie hat sich zu einem vollständig anerkannten Mitglied der mediävistischen Fächerfamilie entwickelt.
(Foto: M.M. Platz) |
Für ernsthaft arbeitende Historiker ist die Kommunikation mit Archäologen selbstverständlich geworden. Gelegentlich wünscht man sich zwar, dass archäologische Beiträge insbesondere in historischen Sammelbänden nicht ganz so isoliert wirken, doch hat sich das Verhältnis in den letzten Jahren deutlich positiv entwickelt.
Für viele Fragestellungen in der mittelalterlichen Geschichte ist das Heranziehen von materiellen Quellen nicht immer notwendig, der Umgang mit Schriftquellen ist für den Archäologen jedoch unabdingbar. In der deutschsprachigen mittelalterarchäologischen Forschung werden von manchen Fachkollegen nach wie vor schriftliche Überlieferungen und deren Interpretation teilweise als Konkurrenz zu den „eigentlichen“ Quellen der Archäologie ‒ nämlich die Artefakte und ihre Stratigrafie ‒ betrachtet, wohingegen die englischsprachige Forschung das Verhältnis seit den 1970er Jahren eher entspannt kontextuell sieht. Ein Umstand, der sich langsam ändert, aber noch immer zu beobachten ist (Schreg 2007, 12-13; s.a. Scholkmann 2003).
Das interdisziplinär publizierende Mittelalterblog ist eine der wenigen Plattformen in der wissenschaftlichen Online-Landschaft, das alle mediävistischen Disziplinen, insbesondere Geschichte, Historische Hilfswissenschaften, Sprach- und Literaturwissenschaften, Kunstgeschichte, Theologie und Religionswissenschaften, Skandinavistik und Theaterwissenschaften zusammenbringt. Die Redaktion ist mit Fachwissenschaftlern besetzt, welche die Beiträge betreuen, im Vorfeld prüfen und damit die Qualität der Blogposts sichern.
Die Artikel erscheinen exklusiv online im Open Access, sind zitierbar und können als Online-Publikationen bei der VG-Wort angemeldet werden. Wissenschaftliche Artikel im engen Sinne (Miszellen, Aufsätze, Editionen) werden in den Regesta Imperii Opac (RI-Opac) aufgenommen.
Gerade in der Mittelalterarchäologie sind Online-Beiträge noch keine Selbstverständlichkeit, obwohl die Vorteile für sich sprechen: Hohe Sichtbarkeit bei Fachkollegen der eigenen und der Nachbarwissenschaften, konstruktiver Austausch in der moderierten Kommentarfunktion und sehr zeitnahe Publikation. Dabei versteht sich das Blog nicht als Werbeplattform für neu erschienene Monographien und Sammelbände, sondern als vollwertige Alternative zu Printmedien.
Die Mittelalterarchäologie, mit ihrer Offenheit gegenüber interdisziplinären Ansätzen von klassischer Arbeit mit Schriftquellen, Bauforschung, naturwissenschaftlichen Prospektions- und Datierungsmethoden bis hin zur Archäoinformatik, soll nun stärker in den Fokus der breiten Leserschaft des Mittelalterblogs rücken.
Somit ist dieser Beitrag als Aufforderung zu verstehen, Artikel zu laufenden Forschungsprojekten, Dissertationen und auch Grabungen mit außergewöhnlich guten mittelalterlichen Befunden und Funden im Mittelalterblog zu veröffentlichen. Es lohnt sich!
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Literaturhinweise
Fehring 2003
G. P. Fehring, Die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Eine Einführung (Darmstadt³ 2003).
G. P. Fehring, Die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Eine Einführung (Darmstadt³ 2003).
Scholkmann 2003
B. Scholkmann, Tyrannei der Schriftquellen? Überlegungen zum Verhältnis materieller und schriftlicher Überlieferung in der Mittelalterarchäologie, in: M. Heinz/ M.K. Eggert/ U. Veit (Hrsg.), Zwischen Erklären und Verstehen? Tübinger Archäologisches Taschenbuch 2 (Münster/ NewYork/ Berlin/ München 2003) 239-257.
B. Scholkmann, Tyrannei der Schriftquellen? Überlegungen zum Verhältnis materieller und schriftlicher Überlieferung in der Mittelalterarchäologie, in: M. Heinz/ M.K. Eggert/ U. Veit (Hrsg.), Zwischen Erklären und Verstehen? Tübinger Archäologisches Taschenbuch 2 (Münster/ NewYork/ Berlin/ München 2003) 239-257.
Scholkmann - Kenzler - Schreg 2016
B. Scholkmann/ H. Kenzler/ R. Schreg, Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Grundwissen (Darmstadt 2016).
Schreg 2007
R. Schreg, Archäologie der frühen Neuzeit. Der Beitrag der Archäologie angesichts zunehmender Schriftquellen, in: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 18, 2007, 9-20
R. Schreg, Archäologie der frühen Neuzeit. Der Beitrag der Archäologie angesichts zunehmender Schriftquellen, in: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 18, 2007, 9-20
Maxi Maria Platz ist Mittelalterarchäologin und lebt mit ihrem Mann in Duisburg. In ihrer im Februar an der Universität Bamberg angenommene Dissertation beschäftigte sie sich Ausgrabungen im Umfeld der Elisabethkirche in Marburg.
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