Seiten

Donnerstag, 22. Mai 2025

Medienberichte zur Arche Noah: mangelnde Medienkompetenz und fehlendes Wissenschaftsverständnis

Mit zu den Klassikern der Pseudo- und Parawissenschaften gehört die Arche Noah.  Für Kreationisten gilt der Fund der Arche Noah als Beweis der Richtigkeit einer wörtlichen Auslegung der Bibel.
 
Auch derzeit wabern solche Berichte durch die internationalen Medien. Ausgangspunkt ist eine zunächst wohl in Social Media verbreitete Nachricht, ein amerikanisches Forschungsteam Noah'sArk Scans habe mittels Georadar die Arche Noah bestätigt. Der Platz ist indes nicht neu, es geht um eine Felsformation bei Durupınar in der östlichen Türkei, ca. 30 km südlich des Ararats. Nur kurz das fachlich eigentlich Selbstverständliche: Eine Identifikation als Arche Noah setzt eindeutige Befunde voraus. Davon ist hier weit und breit nichts zu sehen. Ein Schiff versteinert nicht, es verrottet, wenn es nicht am Meeresgrund oder in feuchtem Milieu liegt. Eine zufällige Schiffsform einer Felsformation in einer obendrein lehmreichen von Rutschungen geprägten Landschaft und irgendwelche rechtwinkligen Strukturen besagen hinsichtlich der Arche Noah gar nichts. Umgekehrt ist schon die Suche nach einem legendären Objekt, bei dem der ganze Überlieferungskontext einen Glaubenshintergrund hat und gar nicht erst irgendeinen Anspruch hat, eine historische Wahrheit im modernen Sinne zu vermitteln, kein wissenschaftlicher Ansatz.
 
Durupınar
(Foto: Zorka Sojka CC BY SA 4.0
via WikimediaCommons)

 
Anscheinend berichtete zunächst völlig unkritisch die britische Sun und zwar bereits am 19. Oktober 2024:
Inspiriert wurde der Artikel wohl von einem Video, das im Oktober 2024 auf YouTube und dem Blog anchorstone.com erschien und der ein Update der Forschungen seit 2022 präsentiert. Anchorstone ist verknüpft mit dem Bescherzentrum bei der vorgeblichen Arche-Fundstelle.
Am 9. April berichtete dann das norwegische Dagbladet:
Nachdem hier zunächst der Standpunkt von Noah's Ark Scans berichtet wird, steht am Ende immerhin noch eine Einschränkung "Einige Kritiker behaupten, dass bei Projekten wie „Noah’s Ark Scans“ pseudoarchäologische Methoden zum Einsatz kämen, bei denen Schlussfolgerungen gezogen würden, bevor ausreichend Beweise gesammelt worden seien."
 
Wenige Tage zuvor, am 28.3. hatte die britische DailyMail  bereits einen Titel zum Thema:
Der Fokus dieses Artikels liegt indes auf der Rolle der CIA, die über die "Fundstelle" tatsächlich eine Akte hatte, da sie um Luftbilder angefragt wurde. Die ersten Bilder der schiffsförmigen Felsfomration stammten tatsächlich von 1957 von der türkischen Luftwaffe, die hier die Ostgrenze der Nato gegen die UdSSR sicherte. Lange war das Militär die einzige Möglichkeit, Luftbilder zu erhalten und dementsprechend wurde die CIA verschiedentlich, auch von Kreationisten, um Bilder angefragt. Daily Mail erwähnt nur nebenbei das Projekt Noah's Ark mit dem angeblichen Nachweis einer Überschwemmungsschicht aus biblischen Zeiten und in einer Bildunterschrift steht zu lesen: "Geologists strongly contest the theory and argue that the Durupinar Formation can be explained by natural physical processes."
 
Es war indes der Bericht im Dagbladet, der in Deutschland zunächst von der BILD aufgegriffen wurde.
Die Bild verweist auf Sun und insbesondere das Dagbladet ohne jedoch dessen kritischen Hinweis aufzugreifen. Später greift der Fokus die Geschuchte auf und greift dazu auf die CIA-Story zurück.
Mitte April laufen die Berichte anscheinend aus, ehe am 14.5.2025 die griechische Newsbomb die Geschichte  auf, auf die sich zwei Tage später dann die Jerusalem Post beruft.
 
Die Bandbreite der Berichte reicht vom dumben Verbreiten des wissenschaftlich-methodischen Blödsinns über vorsichtige Distanzierung bis zur Hintergundrecherche, die den Bericht nutzt, um seriöse Forschung zu thematisieren.

Völlig unkritisch

vorsichtig distanzierend

Die Distanzierung findet bestenfalls am Ende statt, indem wie bei Dagbladet darauf hingewiesen wird, dass es Kritiker gäbe. In der Regel wird der Schwachsinn aber als eine gleichwertige Forschungsmeinung dargestellt. Wissenschaft verliert hier an Profil und lässt die Meinungen als völlig beliebig erscheinen.   


 Seriöser Wissenschaftsjournalismus

Der seriöse Journalismus braucht Zeit, die Beiträge - übrigens aus den Öffentlich-Rechtlichen - sind erst Wochen nach dem Hype erschienen.
 

Mangelnde Medienkompetenz und fehlendes Wissenschaftsverständnis

Bedenklich sind die völlig unkritischen, mehr noch aber vielleicht die vorsichtig distanzierenden Beiträge, da sie zur Erosion der Wissenschaft und damit auch der gesellschaftlichen Stabilität und Zukunftsfähigkeit beitragen.  Hier wird deutlich, dass es den betreffenden Journalist*innen an der Kenntnis oder Motivation fehlt, die betreffenden Meldungen als unwissenschaftlich zu erkennen und einzuordnen. In Bezug auf die Archäologie stellt sich allerdings auch die Frage, woher diese Kompetenz stammen soll, wenn schon in der archäologichen Vermittlungsarbeit die archäologischen Methoden immer wieder nur auf Ausgrabung und neuerdings auch Hightech-Methoden verkürzt werden (hier hat Noah's Ark ja auch bunte Bilder von Geophysik im Angebot)? 
 
Quellenkritik und Interpretationsmethoden der Archäologie müssen zwingend ein Teil der archäologischen Wissenschaftsvermittlung sein, um das Wissenschaftsverständnis in der Gesellschaft  zu fördern. Das ist gar nicht so einfach, wenn hier auch fachunntern ein Defizit besteht. Die Arche Noah-Berichterstattung zeigt auch, dass ein wissenschaftlich-kritischer Blick auch Teil moderner Medienkompetenz ist, denn dieser ist notwendig, um Pseudowissenschaft und tatsächliche FakeNews als solche zu erkennen.
 
Die Archäologischen Wissenschaften müssen hier dringend ihre Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und auch ihre Vermittlungsarbeit überdenken (siehe z.B. Diederich 2023).
 

Links

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Rückmeldungen und Kommentare sind herzlich willkommen! Werbung, Propaganda, Hasskommentare und dummes Gesäure werden aber nicht freigeschaltet. Und: Ein Kommentar ist gleich viel mehr wert, wenn Sie mit Ihrem Namen dazu stehen.