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Montag, 1. August 2022

Sozialarchäologie - Lehren aus der Lehre

Originalpost auf AMANZ-notiz-blog   (31.7.2022)

In diesem Sommersemester habe ich an der Universität Bamberg eine Vorlesung "Grundzüge einer Sozialarchäologie" gehalten - und parllel ein Seminar angeboten, das  "Von der Sozialstruktur zur Sozialen Praxis - neue Forschungsansätze in der AMaNz" betitelt war.

Anhand von konkreten Themen haben wir ausgelotet, welche Aspekte des Sozialen Archäologie, insbesondere die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit erfassen kann und welche Aussagen sie treffen kann.

Das eher abstrakte und theoretische Fazit der beiden Lehrveranstaltungen sei hier kurz im Blog  geteilt, da die Lehren aus diesen Lehrveranstaltungen mir für eine weitere Diskussion geeignet scheinen.

In der Vorlesung habe ich abschließend 5 Thesen formuliert.

These 1

Sozialarchäologie ist ein junges, noch wenig durchdrungenes Themenfeld

  • Zahlreiche Einzelstudien, aber kaum Synthesen
  • Vielfach noch Verharren in hergebrachten Kategorien z.B.
    • ethnische Gruppen
    • Geschlechterrollen – Rollen
    • Hierarchien: top-down-Denken
    • Kontinuitäten

These 2

Sozialarchäologie ist mehr als die Erforschung von Sozialstrukturen. Es geht um das Zusammenleben von Menschen – und das Funktionieren von Gesellschaften

  • Z.B. auch in Krisensituationen
  • Mensch-Umwelt-Interaktion
  • Wirtschaftsaspekte

These 3

Sozialarchäologie hat einen hohen Theoriebedarf. Notwendig sind z.B. Vorstellungen darüber, wie Objekte soziales Leben widerspiegeln – oder überhaupt wie Gesellschaft funktioniert.
Problematisch sind aktuell oft unbewusst angewandte, veraltete Theorien über Gesellschaft, die aus dem 19. Jh. stammen.
Sozialarchäologie bedarf andauernder kritischer Selbstreflexion (wie im Prinzip jede Wissenschaft).
 

These 4

Sozialarchäologie hat im Kontext von Archäologie & Geschichte ein besonderes Potential,
  • da sie oft jenen eine Stimme gibt, die in den Schriftquellen nur randlich aufscheinen
  • da sie einen Beitrag zur „dichten Beschreibung“ liefert
  • da sie gute Grundlagen liefert, archäologische Theoriekonzepte zu entwickeln und zu prüfen
  • da sie Interdisziplinarität fördert
Diese Möglichkeiten sind in der historischen Archäologie also insbesondere im Bereich der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit wegen und nicht trotz der textlchen Parallelüberlieferung besonders bedeutend

 

These 5

Sozialarchäologie ist stärker mit aktuellen Fragen und ethischen Problemen berührt als andere Zweige archäologischer Forschung. Viele Themen sind auch in aktuellen gesellschaftlichen Debatten wichtige Themen.

zum Beispiel:

  • Gender
  • Umgang mit Krieg
  • Umgang mit Minderheiten oder Indigenen
  • Kolonialismus
  • Umgang mit rezenten Bestattungen
  • Archäogenetik

Sozialarchäologie steht in besonderem Maße im Spannungsfeld von Archäologie & Politik/Gesellschaft  und zeigt, dass auch eine Wissenschaft, die sich primär mit der Vergangenheit befasst gesellschaftliche Verantwortung hat.

 
 

Definition der Sozialarchäologie

Im Seminar haben wir aus einer Diskussion dieser Thesen eine Definition der Sozialarchäologie formuliert:

Sozialarchäologie ist die Erforschung vergangenen sozialen Lebens von Individuen, gesellschaftlichen Gruppen und deren Interaktion. Sie ist eine historische Kulturwissenschaft, die die materielle Kultur in den Mittelpunkt stellt, primär archäologische Quellen nutzt, interdisziplinär und mit Blick auf unsere Gegenwart arbeitet. Kennzeichnend ist eine theoretisch reflektierte, kritische Herangehensweise, die Paradigmen identifiziert und kritisch hinterfragt.

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