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Donnerstag, 2. November 2017

Persischer Krieger mehrfach geklaut und jetzt beschlagnahmt

Ein Artikel der New York Times schildert süffisant die Razzia auf der European Fine Art Fair (TEFAF) vorige Woche:
Die European Fine Art Fair im Park Avenue Armory ist eine vornehme Veranstaltung, bei der reiche Sammler Stände mit erstaunlichen Kunstwerken von antiken Skulpturen bis hin zu Meisterwerken des frühen 20. Jahrhunderts durchstöbern.
Als, wie Augenzeugen berichten  am Freitag nachmittag zwei Kriminalermittler und drei Polizeibeamte mit ersnter Minen und Durchsuchungsbefehl in das Armory marschierten, kam es zu eingem Stirnrunzeln. Minuten später war lautes Fluchen aus dem Stand eines Londoner Kunsthändlers zu hören, das die ruhige ehrfurchtsvolle Atmosphäre durchbrach.

The European Fine Art Fair at the Park Avenue Armory is an elegant event during which wealthy collectors browse through booths of stunning art pieces, from ancient sculptures to works by early 20th-century masters.
So it raised a few eyebrows on Friday afternoon when two prosecutors and three police officers marched into the armory at 2 p.m. with stern expressions and a search warrant, witnesses said.
A few minutes later, cursing could be heard coming from a London dealer’s booth, breaking the quiet, reverential atmosphere.
Die Polizei beschlagnahmte auf Anordnung des New Yorker Staatsanwalts Cyrus Vance jr. das Relief eines persischen Kriegers, da es illegal aus Persien, dem heutigen Iran exportiert worden war. 

Nach Angaben der TEFAF New York Fall ist die Rupert Wace Ancient Art in London "one of the top dealers in the field", zu deren Kunden das British Museum, der Louvre, das Metropolitan Museum of Art in New York, das Museum of Fine Arts in Boston, the Antiken Museum Basel und "the Staatliche Museum, Munich" zählen.


Über das Stück hat beispielsweise der Art Crime Blog in der Vergangenheit schon mehrfach berichtet, so dass der Händler angesichts seiner Sorgfaltspflicht eigentlich kaum durch die Tatsache des illegalen Exports aus Persien überrascht sein konnte:

Ausgrabung und Restaurierung in Persepolis

Die Provenienzgeschichte des Stückes ist mit wenigen Lücken einigermaßen nachzuvollziehen. Noch 1935 befand es sich im Apadana-Palast in Persepolis an Ort und Stelle, wo es 1930 ausgegraben worden war. Danach tauchte es in der Sammlung von Frederick Cleveland Morgan, eines Privatmannes auf, der es in den frühen 1950er Jahren dem Montreal Museum of Fine Art in Montreal, Kanada schenkte. Da seit 1930 in Persien ein striktes Ausfuhrverbot galt, war der Export des Stückes ohne Papiere wie die Entfernung aus dem Fries mit Sicherheit illegal.

Fotos aus den 1930er Jahren zeigen den jetzt sichergestellten Krieger in ihrem ursprünglichen Aufstellungsort.  Auf dem ersten Foto ist die Situation mit der östlichen Treppenanlage der Arpadana in Persepolis zu erkennen.

Blick auf die östliche Treppenanlage der Apadana in Persepolis 1933.
Im Vordergrund ein Kriegerfries, auf dem links der großen Lücke der Krieger zu erkennen ist, dessen herausgebrochener Kopf nun sicher gestellt worden ist.
(Foto: Courtesy of The Oriental Institute der University of Chicago, Photo 23188/ Neg.Nr. 12822
https://oi-idb.uchicago.edu/id/bec348b2-7e3c-49fd-8fd6-e9f057c92c4e)

Nach den Ausgrabungen war der Fries aufwändig restauriert worden, wie ein weiteres Foto von 1934 erkennen lässt.
Derselbe Relieffries während einer Restaurierung in den 1930er Jahren. Der betreffende Kopf ist links des Holzbretts zu erkennen.
(Foto: Courtesy of The Oriental Institute der University of Chicago, Photo 61379/ Neg.Nr. 41057
https://oi-idb.uchicago.edu/id/f8395971-9cba-42c1-807e-90e2d11e52f4)

In einer höher aufgelösten Version der beiden Fotos, die das Oriental Institute der Universität Chicago freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, sind die Details der Beschädigungen zu  erkennen, die eine Identifikation mit dem nun sichergestellten Relief belegen. 


Ausschnitt aus dem obigen Bild
(Courtesy of the Oriental Institute of the University of Chicago)
Ausschnitt aus dem obigen Bild
(Courtesy of the Oriental Institute of the University of Chicago)

Kopf eines Kriegers
nach einer Pressemeldung zum Museumsraub 2011
(Foto: Pressemeldung The Globe and Mail  via Wikipedia)

Der aktuelle Zustand ist auf folgenden Bildern zu erkennen:

    Der erste Raub

    Die Provenienzangaben verweisen auf den kanadischen Sammler Frederick Cleveland Morgan, dem Erben eines Millionenvermögens, der das Stück 1950 dem Quebec National Museum vermacht hat. Der erste Raub lässt sich damit auf die Jahre von Mitte der 1930er bis 1950 eingrenzen. Gewaltsam muss das Stück aus der 1933 noch deutlich größeren Platte herausgebrochen worden sein.
    Ein Bild der Balustrade, zu der das Stück gehört hatte, liegt mir nicht vor, der betreffende Bereich scheint heute für Besucher von Persepolis nicht zugänglich.

    Der zweite Raub

    Am 3. September 2011 wurde das an einer Wand aufgehängte Relief  während der Öffnungszeit aus dem Museum in Montreal gestohlen. Wenige Wochen später wurde offenbar durch denselben Täter ein römisches Marmorköpfchen gestohlen. Museum, Polizei und Versicherung gingen erst Monate später mit einem Fahndungsplakat und einem Video der Überwachungskamera an die Öffentlichkeit.
    Während das Marmorköpfchen bis heute verschwunden ist, wurde das Kriegerrelief schließlich zwei Jahre später in Edmonton im billigen IKEA-Regal eines 33-jährigen Mannes, gefunden wo es zwischen ausgestopften Tieren und StarWars-Figuren stand. Laut Wikipedia (dessen Quellenangabe diese Information nicht enthält), war das Relief zufällig auf Filmaufnahmen zu sehen, die der Sender CBS bei einem Interview mit dem als Yogalehrer tätigen Besitzer geführt hat. Er hatte es für 1400$ vom Frend eines Freundes gekauft und für ein gutes Replikat gehalten. Tatsächlich wurde das Stück auf 1,2 Mio $ geschätzt, wohl nicht ganz der Betrag, den das Museum zwischenzeitlich von der Versicherung kassiert hatte.

      Lieber Geld als das Relief

      Als das Relief schließlich wieder da war, entschied sich das Museum, lieber die ausbezahlte Versicherungssumme zu behalten und überließ das Stück der Versicherung, die es ihrerseits auf dem Kunstmarkt anbot. 2016 war das Stück auf der Frieze Fairs in London für 2,2 Mio £ angeboten worden, am Stand eines Händlers, der sonst eher mit mittelalterlicher Kunst seine Geschäfte macht. Dort scheint das Stück nur in Kommission gewesen zu sein, denn Wace hat es angeblich direkt von der Versicherung erworben.

        Reliefs aus Persepolis

        Auch in jüngerer Zeit kam es in Persepolis zu Beschädigungen der Reliefs am Apadana-Palast, die aus dem späten 6. Jahrhundert und dem 5. Jahrhundert v..Chr. stammend neben Kriegern und Wachen Delegationen der im Persischen Reich unterworfenen Völker zeigen. Die Fundstelle war Ziel deutscher und amerikanischer Ausgrabungen und hat für das moderne Persien/ den Iran eine große symbolische Bedeutung. Seit 1990 ist Persepolis, die ehemalige Hauptstadt des Persischen Reiches UNESCO-Weltkulturerbe.
        Relieffragmente aus Persepolis finden sich in vielen Museen in Europa und Nordamerika. Einige wenige sind schon im 19. Jahrhundert vor den systematischen Grabungen in Persepolis außer Landes gebracht worden. In den 1920er Jahren wurde kräftig geplündert, was dann schließlich zu einem strikten Exportverbot geführt hat, das aber, wie das fragliche Kriegerrelief zeigt, Zerstörung und Raub selbst in den restaurierten Partien nicht verhindern konnte.  

        2006 wurden zwei Kriegerreliefs während Filmaufnahmen mit Eisenwerkzeugen beschädigt worden, wobei der Verdacht geäußert wurde, dass sie herausgebrochen und gestohlen werden sollten.

        Ein anderes Relief aus Persepolis war 1971 bei Sothebys und 2005 bei Christies angeboten worden. Es soll ebenfalls vor 1971 aus dem Iran geschmuggelt worden sein.
        Die Ansprüche des Irans wurden in diesem Fall allerdings zurück gewiesen, da das Relief schon vor der Unterzeichnung der UN-Konvention durch die Großbritannien geklaut worden war und weil der Iran seine Ansprüche bei einer früheren Versteigerung nicht geltend gemacht hätte.

        Die Bedeutung des Falls

        Der neue Fall ist daher in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung:
        1. Da sich das Relief an der Fundstelle noch zu Beginn der 1930er Jahre nachweisen lässt, ist klar, dass es illegal exportiert wurde - jedenfalls wenn man die Rechte der Herkunftsländer ernst nimmt - was aber durch die ganzen Fristenregelungen im Kulturgüterschutz  regelmäßig untergraben wird, wie auch im neuen deutschen Kulturgüterschutzgesetz
        2. Hier wird in einem Fall ermittelt und das Fundstück auch beschlagnahmt, bei dem der Diebstahl und die Zerstörung des Gesamtobjektes schon Jahrzehnte zurück liegt. Der Fall hat die Chance, zu einem Präzedenzfall zu werden, dass Eigentumsansprüche nicht erlöschen und dass sich Händler ihre Provenienzverfolgung nicht auf die letzten Vorbesitzer beschränken können. James Ratcliffe, Direktor der Datenbank für verlorene und gestohlene Kunstwerke, auf die TEFAF zurückgreift, verweist darauf, dass das Relief seit den 1950er Jahren öffentlich ausgestellt gewesen sei und es daher interessant sein wird, zu sehen, ob und wie sich eine Rückgabeforderung des Iran entwickle.
        3. Die Tatsache, dass recht schnell mit Bildern, die im Internet verfügbar sind, die ursprüngliche Situation des Reliefs geklärt werden kann, zeigt, was von der Sorrgfaltspflicht des Handels zu halten ist. Gerade die TEFAF legt angeblich großen Wert auf legale Stücke.
        4. Die Argumentation, dass archäologische Objekte im Westen sicherer seien, wird durch den Fall ad absurdum geführt: Zerstört wurde das Kriegerrelief dadurch, dass man den Kopf offenbar speziell in der Absicht, es einer Sammlung einzuverleiben, gewaltsam herausgebrochen hat. Schließlich wurde es einem Museum im Westen geklaut, das auch kein Interesse oder Verantwortung zeigte, es nach seiner Wiederentdeckung wieder in seine Obhut zu nehmen. Lieber hat man die Versicherungssumme angenommen.
        5. Deutlich wird auch, dass die Rückgabe solcher Objekte nicht die Lösung des Problems ist. Dieses liegt vielmehr in der Zerstörung archäologischer Substanz schon bei der Plünderung. In vorliegendem Fall, in dem eine prominente, bekannte Fundstelle beraubt wurde, ist ausnahmsweise einmal die ursprüngliche Provenienz nachweisbar. Der Schaden wäre hier dank der alten Dokumentation durch einen guten Restaurator einigermaßen reparabel, Dennoch ist damit deutlich auch ein materieller Schaden entstanden.
        6. Der Fall ist ein klares Signal, dass sich die USA auch nach dem Austritt aus der UNESCO zum internationalen Kulturgüterschutz bekennen - was in der Trump-Ära gewiss nicht mehr selbstverständlich ist. (vergl. Archaeologik v. 12.10.2017). Durchaus bemerkenswert ist auch, dass die Justiz in einem Fall aktiv wird, der den Iran betrifft, obgleich die politischen Beziehungen derzeit unter Trump wieder unter verstärktem Stress stehen.

        Literaturhinweis 

        • M. G. Majd, The great American plunder of Persia's antiquities, 1925-1941 (Lanham, Md. 2003). 
        • L. Allen, 'The Greatest Enterprise': Arthur Urphan Pope, Persepolis and Achaemenid Antiquities.  In: Y. Kadoi, Artur Upham Pope and A New Survey of Persian Art (Leiden, Boston: Brill 2016) 127-167.

        Nachtrag (1.1.2018)

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