Die Schweizerische Volkspartei hat 2015 den Schweizerischen Bundesrat aufgefordert, "Massnahmen zu ergreifen, damit es künftig weniger «Psychologen, Ethnologen, Soziologen, Historiker, Kultur- und Kunstwissenschafter und dergleichen» gebe. Die Absolventen dieser Studiengänge seien in der Wirtschaft nicht zu gebrauchen und müssten in staatlichen Institutionen durchgefüttert werden."
Die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften stellt in einer Publikation den gesellschaftlichen Wert der Geisteswissenschaften dar:
Den Geisteswissenschaften werden 5 Grundfunktionen zugewiesen:
- Bewahren und Erinnern
- Verstehen und Deuten
- Imaginieren und Vorstellen
- Kritik und Diskurs
- Reflexion und Orientierung
"Das kulturelle Gedächtnis speichert Erfahrungen, Strategien, Erkenntnisformen, Handlungs- und Deutungsmuster, Argumentationen, Begründungen, Geschichten und Bilder, die laufend in unterschiedlichsten Situationen und in unterschiedlichen Kombinationen aktiviert werden können. Die Sicherung der Zeugnisse und Spuren der Vergangenheit, die empirische Rekonstruktion der Vergangenheit, ist eine notwendige Voraussetzung geisteswissenschaftlicher Forschung. Deren Ziel ist es jedoch, diese Zeugnisse «zum Sprechen zu bringen und uns ihre Sprache verständlich zu machen» und damit eine zusätzliche symbolische Rekonstruktion zu leisten (Cassirer 1996, S. 271). Zugleich dient das kulturelle Gedächtnis der Vergewisserung, wird unter sich wandelnden Bedingungen laufend revidiert, korrigiert, ergänzt, neu gewichtet und auch aktualisiert."
Es ist keineswegs so, dass Geistes- und Kulturwissenschaftler_innen für die Wirtschaft nicht "zu gebrauchen" wären. Diese Sichtweise ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch falsch.
AntwortenLöschenEs ist keineswegs so, dass Geistes- und Kulturwissenschaftler_innen nur in staatlichen Institutionen abeiten würden, sondern werden in der Industrie, aber auch in der Logistik und im Dienstleistungsgewerbe gezielt angestellt, weil sie Fähigkeiten mitbringen, die Ingenieuren und Naturwissenschaftlern fehlen. Das sind unter anderem Fähigkeiten wie: komplexe Sachverhältnisse zu durchschauen und zu gliedern, strukturiert zu arbeiten und zu kreativen Lösungen zu kommen. Sie sind in der Regel nicht nur gebildet und sprechen mehrere Sprachen, sie sind auch sehr flexibel und haben gelernt, sich schnell und zielführend in neue Bereiche einzuarbeiten.
Das führt auch dazu, dass Geistes- und Kulturwissenschaftler eine niedrigere Arbeitslosenquote aufweisen, als Architekten_innen oder Biologen_innen.
Das Statement der Schweizerischen Volkspartei ist deswegen kurzsichtig und dumm, weil eine Wirtschaft, die solche Potentiale nicht nutzt, auf Dauer nicht konkurrenzfähig ist.
Mit besten Grüßen,
Maxi Platz