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Sonntag, 17. April 2016

Archäologik - was ist das?

Archaeologik ist natürlich zunächst einmal dieses Blog!
;-)

Aber Archäologik ist auch ein bislang noch wenig etablierter archäologischer Fachbegriff, den Manfred K.H. Eggert in Anlehnung an den historischen Fachbegriff der Historik geprägt hat (Eggert, 2006, 201-203). Archäologik bezeichnet die kritische und systematische Auseinandersetzung mit der „disziplinären Matrix“ bzw. den Paradigmen des Fachs, was sich auch als einer der Schwerpunkte des Blogs entwickelt hat.
Es geht um die Grundlagen archäologischer Erkenntnis, was mehr ist als Quellenkritik und die Methoden der Feldarchäologie und der Archäometrie, die überwiegend auf der Ebene der Datenerschließung und Datenanalyse ansetzen. Es geht um Methoden der Interpretation, das archäologische bzw. historische Denken und seinen wissenschaftlichen Anspruch, sowie um die Einbindung der Archäologie in die moderne Gesellschaft, was Perspektiven und Ziele entscheidend bestimmt.
Archäologik reflektiert die gängige Denkweise der Wissenschaft und analysiert beispielsweise deren Vorstellungen über das Wesen der Geschichte. 

Johann Gustav Droysen
(PD, via WikimediaCommons)
Der Begriff der Historik ist schon deutlich älter. Er reicht zurück ins 19. Jahrhundert, als Gustav Johann Droysen formuliert hatte, "die Historik ist nicht eine Encyklopädie der historischen Wissenschaften, nicht eine Philosophie (oder Theologie) der Geschichte, noch eine Physik der geschichtlichen Welt, am wenigsten eine Poetik für die Geschichtschreibung. Sie muss sich die Aufgabe stellen, ein Organon des historischen Denkens und Forschens zu sein." Und weiter: "Die Historik umfasst die Methodik des historischen Forschens, die Systematik des historisch Erforschbaren, die Topoi der Darlegungen des historisch Erforschten." Im Kontext solcher Historik wurden auch erste Überlegungen angestellt, wie schriftliche Quellen mit archäologischen Quellen zusammen hängen, was in der Folgezeit jedoch auf dieser systematischen Basis nicht weiter verfolgt wurde. 

Jörn Rüsen hat den Begriff in den 1980er Jahren aufgenommen und ihn im Sinne einer "Meta-Theorie der Geschichtswissenschaft, einer kritischen Selbstreflektion verwendet. Historik umfasst wie von Droysen definiert die Quellenkritik und Methode sowie die Strukturierung des Forschungsgebiet, aber auch eine Auseinandersetzung mit den Paradigmen und den sozialen Rahmenbedingungen der historischen Forschung.
"Die Historik bringt das in den Blick, worauf das historische Denken in seiner wissenschaftlichen Verfassung immer schon beruht, und das ohne seine Thematisierung und Explikation durch die Historik lediglich den Status nicht-explizitierter Voraussetzungen und Grundlagen hätte."  (Rüsen 1983, 10)

Diese Selbstreflektion begründet auch eine Kritikfähigkeit gegenüber dem eigenen Forschen wie der Forschungsgeschichte. So ist aus der Historik auch eine grundsätzliche Kritik der Paradigmen des Historismus erwachsen, der den Begriff der Historik ursprünglich eingeführt hat. Historik ist also nicht einfach geschichtswissenschaftliche Theorie - wie z.B. die Auseinandersetzung mit der Geschichtsphilosophie -, sondern sie bezieht sich immer auf die Praxis der Forschung.
In der disziplinären Matrix wirken fünf Faktoren zusammen: 1.) das Erkenntnisinteresse an der Vergangenheit, 2.) die sinnstiftenden Ideen, 3.) die Methoden der empirischen Forschung, 4.) die Darstellungsformen und Narrative und 5.) die aktive Rezeption und Integration der Erkenntnisse des geschichtswissenschaftlichen Forschens in die Daseinsorientierung der Gegenwart.

'Archäologik' ist das Pendant der Historik für die Archäologie. Sie ist die Beobachtung und Selbstreflektion unserer wissenschaftlichen Praxis.  

Archäologik ist nicht nur der Name, sondern auch das zentrale Thema von Archaeologik.



Literaturverweise
  • Droysen 1868
    J.G. Droysen, Grundriß der Historik (Leipzig 1868).
  • Eggert 2006
    M. K. H. Eggert, Archäologie. Grundzüge einer historischen Kulturwissenschaft. UTB 2728 (Tübingen 2006).
  • Rüsen 1983
    J. Rüsen, Historische Vernunft. Grundzüge einer Historik I (Göttingen 1983).

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