Klaus Graf merkt auf Archivalia zu der Fristenregelung im Ehrenkodex des WSVA (vergl. Post vom 31.7.) kritisch an:
"Archäologen müssen 5-10 Jahre warten, bevor sie der Ausgräber an Funde ranlässt" und verweist auf die Schädlichkeit einer Reservierung wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Grundsätzlich lassen sich Ausgrabung und Auswertung eines Grabungsbefundes allerdings nicht trennen und sollten deswegen in einer Hand liegen. Dies ist auch der Grund für die Formulierung eines Vorrechts des Ausgräbers/ wissenschaftlichen Grabungsleiters im genannten Ehrenkodex. Es geht nicht um die Reservierung eines Vorrechts, sondern eigentlich eher um die Möglichkeit einer Optimierung der Auswertung.
Viele Entscheidungen auf der Grabung werden auf der Basis von Fragestellungen entwickelt, die sich im Laufe der Untersuchung ergeben. Viele Beobachtungen, Überlegungen und Diskussionsergebnisse während der Grabung finden keinen Eingang in das Grabungstagebuch (auf das vielfach zugunsten einer mechanischen und formalisierten Dokumentation gar verzichtet wird). Selbst bei einer perfekten Dokumentation gemäß den formulierten Standards, ist es für einen externen Bearbeiter schwierig, sich in die Grabung und ihre Abläufe sicher einzufinden.
In der Praxis erfolgen Grabungsauswertungen heute allerdings meist nicht durch den Ausgräber, sondern als Studienabschlussarbeiten. Planstellen für Wissenschaftler, die Auswertungen durchführen sind selten, bei Drittmittelanträgen wird hier oft gekürzt und auf die "Nachwuchsförderung" und die (billigere) Vergabe als Studienabschlußarbeit verwiesen. Vermutlich - eine Statistik dazu kenne ich nicht - wird die Mehrzahl der Ausgrabungen von eher unerfahrenen Absolventen vorgenommen.
Umgekehrt kommt es aber auch vor, dass Grabungsauswertungen durch den Ausgräber blockiert werden, obwohl absehbar ist, das eine persönliche Auswertung unrealistisch ist. Nicht selten lässt die Publikation Jahrzehnte auf sich warten.
Da bei einer Auswertung im Rahmen einer Studienabschlussarbeit, insbesondere bei einer Dissertation eine eigenständige wissenschaftliche Leistung erwartet wird, kommt es selten zu einer intensiven Kooperation zwischen Auswerter und Ausgräber. Dabei wäre hier eine Arbeitsteilung vielfach naheliegend und zweckdienlich.
Vor diesem Hintergrund scheint die "weiche" Formulierung angemesssen. Allerdings gibt es sicher auch viele Fälle, wo die Sinnhaftigkeit dieses Vorrecht zweifelhaft ist: wenn etwa der wissenschaftliche Grabungsleiter (meist der zuständige Denkmalpfleger, der neben dem denkmalpflegerischen Tagesgeschäft oft mehrere Grabungen parallel zu betreuen hat) nur sporadisch auf der Grabung vorbeischauen kann und die Arbeit vor Ort durch einen Grabungstechniker oder einen meist studentischen "örtlichen" Grabungsleiter erfolgt.
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Klaus Graf verweist auf http://archiv.twoday.net/stories/38727990/comment darauf, dass der Bearbeitungsvorbehalt durch den Ausgräber möglicherweise rechtlich nicht möglich ist. - Ich weiss nicht, ob ein solcher Fall in der Archäologie schon mal gerichtlich durchexerziert wurde.
AntwortenLöschenSoweit ich weiß, wird das gerade in der Schweiz bei der Dokumentation der Altgrabungen im St. Galler Klosterbezirk (damals H.R. Sennhauser) versucht. Vgl. dazu den Jahresbericht 2010 der Kantonsarchäologie St. Gallen (online auf http://www.sg.ch/home/kultur/archaeologie/publikationen.html)
AntwortenLöschenDanke für den interessanten Hinweis auf den Fall in St. Gallen!
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