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Montag, 2. Mai 2011

Die Gier nach dem Authentischen

Der klassische Archäologe Luca Giuliani in einem Interview bei Welt online :

Giuliani:
Nach der Suche nach den Wurzeln des Abendlandes haben sich die Altertumswissenschaften ja frei gemacht. Wir verstehen die Antike heute als exotisch, sehen sie als ungeheuer aufregendes Laboratorium, erkennen, wie der Klassizismus die Antike missverstanden hat und wie fremd sie eigentlich ist. Das ist das wirklich Spannende.
WELT ONLINE:
Kämpfen Sie da nicht gegen Windmühlen?
Giuliani:
Das glaube ich auch. Wir haben viel zu lange dieses diffuse Bedürfnis des Publikums bedient und einen Fund schnell mit dem größten Namen zusammengebracht, den wir finden konnten, in diesem Fall Caesars. Ich glaube, es wäre besser gewesen, diese Erwartungen anzusprechen, sie als historisches Problem aufzudecken und dann zu zeigen, was der richtige methodische Umgang mit einem Fund sein sollte. Ich will nicht gegen Windmühlen kämpfen, aber mich ihnen behutsam nähern und ihnen langsam den Wind aus den Schaufeln nehmen. Die Gier nach dem Authentischen erklärt sich durch unser Versäumnis, beizeiten gezeigt zu haben, was wir in unserer Wissenschaft eigentlich machen.
Welt online - nicht immer sensibel im Umgang mit archäologischen Denkmalen - befragte Giuliani anläßlich des Neufundes eines Porträtkopfes in der Rhône bei Arles, die Caesar zugeschrieben wurde: Forscher-Streit um Porträtbüste von Caesar.

1 Kommentar:

  1. Mich erinnert der obenstehende Ausschnitt an eine seit dem Hochmittelalter bestehende Erzähltradition, die besagt, der Feenkönig Oberon sei der Sohn von Morgane der Fee und ... Julius Caesar. ;-)

    Das Bedürfnis,etwas mit einem allbekannten großen Namen zusammenzubringen, ist ein psychologisches Kapitel für sich und hat m.E. weniger mit Wissenschaftsrezeption zu tun, als mit Erzähltraditionen und Legendenbildung(im Sinne von freier Fabulierkunst). Dass sich Legenden bilden, ist m.E. nicht nur das Ergebnis von "Irrtümern" im wissenschaftlichen Sinne (also rein negativ definiert, wie es z.Zt. der Aufklärung üblich war), sondern damit wurden und werden die Erwartungen des Rezipienten bedient (das wäre mal ein positiver Denkansatz). Ob der Rezipient der Hörer eines Märchens oder der Leser eines wissenschaftlichen Artikels oder der Forscher selbst sind, das ist bei der Unbewusstheit des Vorgang ziemlich egal.

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