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Freitag, 20. Januar 2023

Falsche Ukraine-Hilfe: Bodenfunde im Internet

Ein Anbieter von auffallend vielen archäologischen Metallfunden auf etsy hat  schon im Juni 2022 "Viele verschiedene archäologische Antiquitäten, Fundstücke. Fragmente, antiker Schmuck und vieles mehr. 14-19 Jahrhunderte" verkauft. 

Der Vorgang ist leider nichts besonderes, derartiges geschieht täglich. Im konkreten Fall stammen die Funde aus der Ukraine, die auch schon vor dem russischen Angriff ein wichtiger Lieferant von heiß begehrten "Wikinger"-Artefakten war. Ich erwähne den Fall aber vor allem wegen des Kommentars, den die Käuferin hinterlassen hat:

These items are AMAZING! Better quality than in the photo. Each item, or similar groups of items, were individually wrapped with care. The package arrived safely and quickly from Ukraine, even with the war going on. I urge anyone thinking about buying items from this store to do so to support Ukrainians. There are other stores owned by Ukrainians that sell similar items. Glory to Ukraine.
(Linda zu dem o.g. Angebot)

 Ähnliche Kommentare finden sich noch öfters:

Ich liebe das absolut! So viel Geschichte und Bedeutung in diesen Metallstücken, und ich kann die Ukraine auch beim Kauf unterstützen!
(Sharon Austin zu "Fundstück archäologischer Fragmente des Mittelalters. Zerbrochene Fragmente verschiedener Epochen" des Anbieters VikingHouseFind)

Unter den Käufern scheinen viele unbedarfte Reenactors oder Rollenspielfans zu sein, die keine Ahnung haben, dass sie mit dem Kauf dazu beitragen, die Geschichte, die sie doch anscheinend so bewundern, zu zerstören. Die Masse solcher Funde sind mit Sicherheit illegale Raubgrabungsfunde, auch wenn dies im Einzelfall kaum nachweisbar ist. Wenn ich das ukrainische Denkmalschutzgesetz (engl. pdf-Version bei UNESCO) richtig verstanden habe, ist sowohl das Sondengehen ohne Lizenz als auch der Handel mit nicht gemeldeten archäologischen Funden verboten. Der Import nach Deutschland benötigt nach dem Kulturgutschutzgesetz zudem offizielle Dokumente, dass die Funde gemeldet, aber nicht als Denkmal registriert worden sind - oder eine Ausfuhrgenehmigung erteilt wurde.

Eine Hilfe für die Ukraine ist es derzeit,  dabei zu helfen, solche Fundstellen zu erhalten, denn es ist gerade das Geschäft der russischen Angreifer, die ukrainische Geschichte auszulöschen. Außerdem ist es dort gerade keine gute Idee mit dem Detektor rauszugehen und Metall zu suchen - wenn man nicht ausgebildeter Kampfmittelräumer ist. Diesen Markt anzuheizen bedeutet u.U. auch jemanden zusätzlich zu motivieren, sich in Lebensgefahr zu begeben!

Wenn man der Ukraine helfen möchte, dann am besten nicht damit, dass man dortige archäologische Funde aufkauft.

Es sei auf die Handreichung der DGUF "Antike Objekte im Internet kaufen? Ein Wegweiser des DGUF-Arbeitskreises Kulturgutschutz" verwiesen, die dort als pdf zu finden ist.

 


Mittwoch, 18. Januar 2023

Stellenausschreibung: Promotionsstelle Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit/Historische Geographie

Wiesenttal bei Waischenfeld in der fränkischen Schweiz
(Foto: R. Schreg)


Für ein neues Projekt mit spannenden umwelthistorischen Fragen darf ich heute auf Archaeologik eine Stellenausschreibung einstellen! Die Archäölogie des Mittelalters und der Neuzeit in Bamberg und die Professur für Historische Geographie suchen gemeinsam eine wissenschaftliche Mitarbneiterin/ einen wissenschaftlichen Mitarbeiter.

Flusslandschaften und die dazugehörigen Auen sind sensible Ökosysteme und bedeutende Wirtschaftsräume für den Menschen. Diese Landschaften sind von Natur aus dynamisch und im Laufe der Geschichte durch sozio-ökologische Veränderungen gekennzeichnet. Flüsse und ihre Auen sind in Mitteleuropa insbesondere seit dem Frühmittelalter einem direkten (z. B. durch hydrotechnische Anlagen) und indirekten (z. B. Sedimentationseinträge) Transformationsprozess unterworfen. In dieser Zeit machte sich der direkte sozioökonomische Druck auf Flusslandschaften bemerkbar.

Einerseits führte eine landwirtschaftliche Intensivierung im gesamten Flusseinzugsgebiet zu verstärkter Bodenerosion und steigender Sedimentfracht der Flüsse, was die Morphologie der Auen erheblich veränderte. Andererseits – das ist der Fokus unserer geplanten Forschungen - kam es zu  verstärkten Siedlungs- und Infrastrukturaktivitäten, wie der Errichtung von Wassermühlen, der Öffnung von Tälern und Auen für den Transport auf dem Fluss sowie auf Straßen entlang der Täler und der intensivierten landwirtschaftlichen Landnutzung von Auen. In der Folge wandelten sich spätestens im Mittelalter naturbelassene Auen und Ökosysteme zu dominanten menschlichen Auensystemen. Dieser Transformationsprozess war nicht einseitig, sondern geprägt von nichtlinearen und komplexen Rückkopplungs- und Anpassungsprozessen, die die Mensch-Umwelt-Interaktion prägten. Infolgedessen veränderten direkte und indirekte anthropogene Prozesse die Aue, und umgekehrt hatte die Veränderung der Aue Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Im Rahmen des neuen DFG-geförderten Schwerpunktprogramms "Fluviale Anthroposphäre" startet in Bamberg (der Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters gemeinsam mit der Professur für Historische Geographie) und Gießen (Lehrstuhl für Physische Geographie) voraussichtlich im April ein Forschungsprojekt „Entwicklung eines vom Menschen geprägten Auensystems: Das Flusssystem der Wiesent in der Nördlichen Frankenalb (Maineinzugsgebiet) im Frühmittelalter bis zur Frühen Neuzeit“.

Das Projekt wird sich auf zwei Hauptaspekte konzentrieren: (a) Menschliche Aktivitäten wie hydrotechnische Anlagen, Fluss- und Agrarwirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Flussmorphologie, den Sedimentfluss und die Ökologie der Auenumgebung und (b) soziale Reaktion und kulturelle Anpassung an vom Menschen verursachte Veränderungen der Auenumgebung. Konkret werden folgende Fragen behandelt: (1) Wie groß war die Veränderung in den Tälern und Auen? (2) Lassen sich Perioden intensivierter Veränderung ausmachen? (3) Welche sozial-ökologischen Prozesse waren für die Transformation von natürlichen zu anthropogen geprägten Flüssen und ihren Auen verantwortlich?

Einem diachronen Ansatz folgend wird der Zeitraum vom Mittelalter bis zur Industriellen Revolution untersucht. Als Modellregion für diese Studie dienen die Täler der Wiesent und einiger ihrer Nebenflüsse. Hier liegen bereits hochaufgelöste chronostratigraphische Daten zu Sedimentflüssen und Auenentwicklung vor, eine Voraussetzung, um den diachronen Ansatz zur Entflechtung der komplexen Mensch-Umwelt-Interaktion erfolgreich zu verfolgen. Dazu werden sowohl klassische als auch innovative (semi-)quantitative Methoden wie Phytolithenanalysen in enger Kooperation zwischen den Antragstellern aus den Bereichen Archäologie, Historische Geographie und Geomorphologie/ Geoarchäologie angewendet. Ein wesentlicher Ansatz der Arbeiten ist die Analyse historischer Karten, der Abgleich mit Geländemodellen und schließlich die Geländeprospektion. Insbesondere dazu bieten wir die folgende Stellenausschreibung:


Im Rahmen des von der DFG geförderten Schwerpunktprogrammes „Fluvial Anthroposphere“ startet an der Universität Bamberg voraussichtlich ab April 2023 das gemeinsam vom Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Professur für Historische Geographie und dem Lehrstuhl für Physische Geographie an der Universität Gießen betriebene Forschungsprojekt „Entwicklung eines vom Menschen geprägten Auensystems: Das Flusssystem der Wiesent in der Nördlichen Frankenalb (Maineinzugsgebiet) im Frühmittelalter bis zur Frühen Neuzeit“.

Für dieses Projekt ist am Standort Bamberg möglichst zum 1.4.2023 eine Stelle einer/eines

 

Wissenschaftlichen Mitarbeiterin/Mitarbeiters (m/w/d) mit dem Ziel der Promotion

(75 % der regelmäßigen Arbeitszeit, Entgeltgruppe 13 TV-L)

zu besetzen. Die Stelle ist auf 3 Jahre befristet

 

Aufgabenbeschreibung

  • Wissenschaftliche Bearbeitung eines eigenen Promotionsthemas
  •  Geländeprospektion und Kartierungsarbeiten anthropogener Einflüsse auf kleine Fließgewässer
  • Archivrecherche
  • Anleitung und Unterstützung der im Projekt beschäftigten Hilfskräfte
  • Mitarbeit bei der Koordination des Teilprojektes und des Schwerpunktprogrammes

Anforderungsprofil

  • Ein abgeschlossenes Masterstudium in den Archäologischen Wissenschaften oder Geographie (Historische Geographie, Physische Geographie)
  • Erfahrungen in der Arbeit mit GIS und LIDAR erforderlich
  • Erfahrungen in Geländeprospektion erwünscht
  • Grabungserfahrung erwünscht
  • Archiverfahrung erwünscht (Arbeit mit Archivalien vom Spätmittelalter bis 19. Jahrhundert, Altkarten)
  • Führerschein (B) erforderlich

 

Allgemeines

Die Otto-Friedrich-Universität Bamberg fördert die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern. Wir sind bestrebt, den Anteil von Frauen in Forschung und Lehre zu erhöhen, und fordern deshalb entsprechend qualifizierte Frauen nachdrücklich zur Bewerbung auf. Schwerbehinderte Bewerberinnen oder Bewerber werden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.

Die Otto-Friedrich-Universität Bamberg wurde von der Hertie-Stiftung als familiengerechte Hochschule zertifiziert. Sie setzt sich besonders für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben ein.

Bewerbung

Ihre Bewerbung mit aussagekräftigen Unterlagen (kurzes Motivationsschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, evtl. Schriftenverzeichnis) senden Sie bitte elektronisch (zusammengefasst zu einer Datei im PDF-Format) unter Angabe des frühestmöglichen Eintrittstermins an eine der untenstehenden Adressen bis zum 12. Februar 2023.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Prof. Dr. Rainer Schreg, Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Am Kranen 14, 96047 Bamberg, rainer.schreg@uni-bamberg.de

Prof. Dr. Andreas Dix, Professur für Historische Geographie, Am Kranen 12, 96047 Bamberg, andreas.dix@uni-bamberg.de

 

 

Link:

Die Ausschreibung auf den Seiten der Universität:

Dienstag, 17. Januar 2023

Wann kommt die Impfung gegen Schatzfieber? Ein neuer Ausbruch in den Niederlanden

Das Nationalarchiv in den Niederlanden stellt eine Schatzkarte online und der Wahnsinn bricht aus.

Viele Sondengänger unterwegs - suchen mit Metallsonden nach steingefüllten Holzkisten... 


und zur internationalen Resonanz des Schatzfiebers: 

Die Gemeinde stellt die Regelungen fürs Sondeln online und verweist auf das Risiko der Zerstörung archäologischer Fundstellen und das Risiko durch Weltkriegsminition (weshalb in der Gemeinde das Benutzen und Kitführen eines Metalldetektors eigentlich verboten its.

Inzwischen scheinen die Horden wieder verschwunden zu sein. Wohl erfolglos.

Montag, 16. Januar 2023

Sensationelle Laienarchäologie (ohne Detektor!)

Anfang Januar 2023 ist im Cambridge Journal of Archaeology ein Artikel erschienen, der wohl als wichtiger Forschungsfortschritt in Bezug auf die paläolithische Höhlenmalerei zu sehen ist - der aber insgesamt für die Kulturgeschichte der Menschheit enorm wichtig ist. Es geht um die plausible Argumentation, dass die Malereien ein Notationssystem enthalten, das als Proto-Schrift bezeichnet werden kann.

  • Bacon et al. 2023: B. Bacon / A. Khatiri / J. Palmer / T. Freeth / P. Pettitt / R. Kentridge, An Upper Palaeolithic Proto-writing System and Phenological Calendar. Cambr. Arch. Journ., 2023, 1–19.  - DOI:  https://doi.org/10.1017/S0959774322000415.

In mindestens 400 europäischen Höhlen wie Lascaux, Chauvet und Altamira haben im Jungpaläolithikum zwischen etwa 42-37000 bp Homo sapiens - Gruppen figürliche Bildern (vor allem Tiere) hinterlassen. Schon lange ist nämlich aufgefallen, dass bei den Höhlenmalereien etwa von Lascaux oder Font-des Gaumes die Tierdarstellungen von Punkten, Strichen oder Y-Zeichen begleitet sind.

 

Lascaux
rechts vor dem Stierkopf rot nnotierte Striche
(Foto: Francesco Bandarin / UNESCO [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons)

 

Ein Londoner Möbelrestaurator hat mit zwei Freunden (Azadeh Khatiri & Clive James Palmer) eine plausible Deutung erarbeitet. Mit einer Datenbank von Bildern aus dem Jungpaläolithikum, haben sie vorgeschlagen, wie drei der am häufigsten vorkommenden Zeichen, eben Linie ( | ), Punkt (•) und Y  kommunikative Funktion hatten. Wenn Sie in enger Verbindung mit Bildern von Tieren stehen, bezeichnen  |   und  •  Mondmonate. Dahinter steht offenbar ein lokaler phänologischen/ meteorologischer-Kalender, der im Frühjahr beginnt und einen Zeitpunkt im Jahresablauf angibt. Das Y bedeutet "gebären" und die Position des Y innerhalb einer Folge von Markierungen bezeichnet den Geburtsmonat. Der Zweck dieses Systems der Zuordnung von Tieren zu Kalenderinformationen bestand wohl darin, saisonale Verhaltensinformationen über bestimmte Beutetaxa in den betreffenden geografischen Regionen aufzuzeichnen und zu übermitteln. 

Die Hypothese, wonach the number of lines/dots, or the ordinal position of <Y> symbols, in sequences associated with depictions of prey taxa in Upper Palaeolithic art, convey information about events in those animals’ annual lives important to hunter-gatherers, expressed in lunar months RBS, i.e. anchored to the start of the bonne saison. That information is likely to reflect birthing, and possibly mating and/or migration of the animals of concern in the region in which the images are found (or originated).

Dazu wurden die Notationen mit den Tierarten abgeglichen und Informationen zu den Jahreszyklen der verschiedenen Tierarten gegenüber gestellt. Dabei ergab sich eine klare Korrelation.

War also schon vermutet worden, dass es im Jungpaläolithikum Annotationssysteme gab, so hat man nun erstmals eine Vorstellung davon, was für eine Art Information sie festgehalten haben.

Die Initiative der Studie ging nun nicht von den Archäologen im Team aus. Sie sind erst später dazu gekommen, um die Erkenntnis in einen wissenschaftlichen Artikel zu bringen.

Ehrenamtliche "Laien"-Archäologie wird in der Regel mit Geländearbeit verbunden - so wie überhaupt in der öffentlichen Wahrnehmung Archäologen meistens draußen in Dreck, Tropen und Baugruben Funde jagen.

Tatsächlich geht es um ein Verständnis der Vergangenheit - zu dem neue, gut dokumentierte Funde natürlich ganz grundlegend beitragen. Aber es geht nicht um den Fund an sich, sondern um den Fund als Informationsträger. Ein Verständnis der Vergangenheit ist also mehr als "Finden". Es ist eine Frage der Interpretation, die nur nüchtern-wissenschaftlich möglich ist, denn ansonsten liefert "Forschung" keinen Erkenntnisgewinn, sondern bestätigt nur Voreingenommenheiten und ist bestenfalls eine "Parawissenschaft". Ein wichtiger Teil wissenschaftlicher Forschung ist es immer auch, solche Voreingenommenheiten aufzudecken und sich daher kritisch mit der Forschungsgeschichte auseinanderzusetzen.

Brauchbare wissenschaftliche Ergebnisse sind nicht abhängig von einem akademischen Titel, sondern lediglich von einem aufgeklärten Geist, wie es das Idealbild einer demokratischen Zivilgesellschaft voraussetzt. Wer ein Studium aufzuweisen hat, ist indes im Vorteil, da hier Quellenkenntnis, vor allem aber auch die Methoden nicht nur der Datenerfassung, sondern auch deren Interpretation vermittelt und bestenfalls auch praktisch eingeübt werden. Wer wissenschaftlich arbeitet, hat auch eine Chance von der Wissenschaft ernst genommen zu werden. Zugegebenermaßen sind allerdings nicht alle Kolleg*innen für eine solche Kooperation so offen, wie die beiden Archäologen im Team, Paul Pettitt und  Robert Kentridge vom Department of Archaeology an der University of Durham.

Apropos Sensation. Der Begriff ist im Kontext archäologischer Entdeckungen meist eine maßlose Übertreibung - weshalb die Funde nicht weniger wichtig sind. Hier bin ich geneigt, den Begriff so hinzunehmen, denn die neue Einsicht ist erhellend - und es ist eben bemerkenswert, dass er der Forschung von Laien zu verdanken ist.

Literatur

  • Bacon et al. 2023: B. Bacon / A. Khatiri / J. Palmer / T. Freeth / P. Pettitt / R. Kentridge, An Upper Palaeolithic Proto-writing System and Phenological Calendar. Cambr. Arch. Journ., 2023, 1–19.  - DOI:  https://doi.org/10.1017/S0959774322000415.

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