Donnerstag, 29. September 2016

Ein (zu?) optimistischer Blick auf das Kulturgutschutzgesetz

Ein Interview mit Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums in Berlin, der ein optimistisches Bild des neuen Kulturgutschutzgesetzes zeichnet. Erstmals gäbe es einen "wirkungsvollen rechtlichen Rahmen, um gegen den illegalen Handel mit archäologischen Gütern vorzugehen", der "wirkungsvoll" die entsprechende UNESCO-Konvention aus dem Jahre 1970 implementiere. Schon jetzt prüfe der Zoll genauer.
Ich kann Hilgerts positive Einschätzung leider nicht ganz nachvollziehen. Sicher: das Gesetz ist auf den ersten Blick ein Fortschritt. Aber ob es sich tatsächlich bewähren wird?
Warum sollen denn die ausländischen Partner "sehr erfreut und geradezu euphorisch" sein? Das neue Gesetz soll schließlich klarstellen, "dass Kulturgut, das sich schon vor diesem Zeitpunkt [=2007] in Deutschland bzw. dem EU-Binnenmarkt befunden hat, für eine Rückgabe nicht in Betracht kommt" (Begründung zum Gesetzentwurf S. 46 oben - http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/074/1807456.pdf). Den Schmugglern und Hehlern baut es damit auch gleich die goldene Brücke: So werden gefälschte Exportpapiere eben vor den Stichtag 2007 datiert und die längst etablierte Legende von der "alten Sammlung" wird weiterhin aufrecht erhalten werden. Immerhin wird künftig erst einmal vermutet, dass Objekte nach 2007 eingeführt wurden, was aber wohl mit den etablierten Legenden "aus alter Sammlung" leicht umgangen werden wird. Man wird sehen, inwiefern das Gesetz hier in der Praxis Wirkung entfalten kann.

ln völliger Verkenntnis archäologischer Befundzusammenhänge fallen zudem massenhaft auftretende Münzen gar nicht unter das Gesetz (§42), ebenso, wie Sorgfaltspflichten des Handels für "billige" Objekte gelockert sind - ein wichtiger Anreiz für die Raubgräber ist damit in Deutschland sogar noch legalisiert worden. Gerade die Suche nach massenhaft vorkommenden Funden richtet einen nicht unerheblichen Schaden an.

Richtig und wichtig ist Hilgerts Hinweis, dass es nicht allein um den IS geht. Terroristen oder nicht: alle Kriegsparteien verdienen an der Hoffnung der Händler, für die Raubobjekte im Westen einen Käufer zu finden. Das neue Gesetz ändert nur die Pfade und die Narrative der Legenden und gefälschten Provenienzen. Immerhin schenkt der Zoll dem Antikenhandel in der Tat nun wohl eine größere Aufmerksamkeit.
Man kann jetzt schon gespannt sein auf die Überprüfung des neuen Gesetzes in ein paar Jahren.

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