Mittwoch, 1. Oktober 2014

Bomben und Kulturgüter - Syrien und Irak im September 2014

Mit dem amerikanischen Militärengagement gegen den Islamischen Staat in Syrien und dem Irak, hat die Plünderung archäologischer Fundstellen im Gebiet der IS etwas breitere Medienaufmerksamkeit gefunden. Allerdings werden aktuell nicht-militärische Maßnahmen gegen IS nur sehr zögerlich diskutiert. Man hört kaum davon, dass versucht würde, die IS von ihren Finanzquellen abzuschneiden, in dem etwa effektiv der Schmuggel von Öl und Antiken unterbunden würde. Stattdessen wird bombardiert - mit dem Risiko auch Kulturdenkmale zu treffen, deren Zerstörung durch IS als ein Argument für den Militäreinsatz herhalten muss.
Abdulkarim Maamou
Abdulkarim Maamou

Kultur'liebhaber' finanzieren IS-Terror
Seit längerem ist bekannt, dass IS in Raubgrabungen involviert ist und viel Geld mit dem Handel von Antiken macht. Mit dem Vordringen des IS findet das Thema vermehrt Aufmerksamkeit in der amerikanischen Presse - kaum indes in Deutschland.
    Der naheliegende Schritt, im Kampf gegen den Terror den Antikenhandel endlich besser zu kontrollieren und den illegalen Handel und die Finanzquellen der Terroristen auszutrocken, wird auffallenderweise nur selten angesprochen. Genau das ist aber die Forderung von Fachwissenschaftlern, die sich mit einem offenen Brief an die UN wenden.

    Ein Beitrag der New York Times beleuchtet, wie ISIS vor Ort in die Plünderung archäologischer Fundstellen beteiligt ist. Es sind nicht die Kämpfer selbst, die über die Fundstellen herfallen, sondern ihre Beteiligung ist eher finanzieller und autoritärer Art. Bodenfunde werden unter Berufung auf ein altes arabisches Recht des khum besteuert. In der Region Aleppo gehen 20% des Wertes an ISIS, bei Raqqa 50%, noch mehr, wenn es sich um islamische Kunstgegenstände handelt. Die Plünderer werden von ISIS lizensiert und von einem ISIS-Repräsentanten beaufsichtigt, um die Steuer einzutreiben.
    Ein Radio-Interview mit Michael Danti, Boston University

    Derek Fincham und Sam Hardy bezweifelt allerdings die im Artikel genannten Zahlen, wonach ISIS allein in einer Region westlich von Damaskus 36 Millionen $ durch Antikenhandel eingenommen hätte:
      Auch ein deutscher Beitrag bei ttt zeichnet den Weg des Antikenschmuggels in die Türkei nach.
      Am Ende landen solche Funde bei ebay:
      • http://www.ebay.com/itm/161148202226 - Terrakottafigur aus Palmyra, von einem Händler eingestellt, ohne jede Angabe, die glaubhaft machen könnte, dass der Fund nicht aus einer Raubgrabung stammt

      Wie immer in solchen Auseinandersetzungen ist es schwer zu entscheiden, wo Propaganda einsetzt. Videos aus dem Irak zur Zerstörung jesidischer Heiligtümern beispielsweise sind nicht zu verifizieren:
      Die Zerstörung Mahnmals für den Völkermord an den Armeniern in Deir ez-Zor wurde gesprengt:. Erste Bilder, die dies belegen sollten, stammten indes von einer Kirche aus Ägypten.

        USA und der Kulturgüterschutz
        Die USA, die im früheren Golfkrieg bei der Plünderung des Nationalmuseums in Bagdad eine unrühmliche Rolle gespielt haben, schenken nun auf der symbolpolitischen Ebene dem Kulturgüterschutze eine gewisse Aufmerksamkeit.
        Außenminister John Kerry nahm am 22.9. auf einer Veranstaltung am Metropolitan Museum of Art in New York City teil. Die Veranstaltung sollte "die Zerstörung unersetzlicher Kulturgüter im Irak und Syrien durch gewalttätige Extremisten wie ISIL und die syrische Regierung" herausstellen ("to highlight the destruction of irreplaceable cultural heritage taking place throughout Iraq and Syria at the hands of violent extremists like the Islamic State of Iraq and the Levant and the Syrian regime").
        In seiner Rede betonte Kerry, dass die Zerstörung des Kulturerbes die äußerste Verunglimpfung für Syrer und Iraker sei und ein weiteres Beispiel für das unerbittlich Böse in ISIL. ISIL tötet, aber darüberhinaus vernichtet es auch die Seele von Millionen Menschen. ("For the proud people of Iraq and Syria – ancient civilizations, civilizations of great beauty, great accomplishment, of extraordinary history and intellectual achievement – the destruction of their heritage is a purposeful final insult, and another example of ISIL’s implacable evil. ISIL is stealing lives, yes, but it’s also stealing the soul of millions").
        John Kerry, Remarks at Threats to Cultural Heritage in Iraq and Syria Event, Metropolitan Museum of Arts, New York 22.9.2014
        (US Department of State via YouTube)
        Kerry argumentiert, dass viele Traditionen der Erde in dieser Region der Welt wurzeln und sich deshalb die gesamte zivilisierte Welt dem Vandalismus Widerstand leisten müsse.
        Kerrys Rede bezieht sich nur auf die gezielte Zerstörung von Monumenten, von den Raubgrabungen und der Finanzierung von ISIL durch den Verkauf von Antiken spricht er hingegen nicht! Nur in einem Nachsatz wird auch 'looting' genannt. Die Maßnahmen, die er anspricht, sind lediglich ein Monitoring der Schäden, aber weder geeignet, Raubgrabungen noch den illegalen Antikenmarkt als Quelle der Terrorfinanzierung zu unterbinden.
        Berichte zu Zerstörungen und Plünderungen
        Syrien
        Die American Association for the Advancement of Science (AAAS) unter anderem Herausgeberin der Zeitschrift Science, hat eine Studie zu den Zerstörungen an den UNESCO-Welterbestätten in Syrien vorgelegt. Systematisch wurden Luftbilder vor dem Bürgerkrieg mit aktuellen Aufnahmen verglichen.
        Von den sechs UESCO-Welterbestätten Syriens weißen fünf bereits in Satellitenbildern sichtbare Schäden auf. In Palmyra durchschneidet dabei eine neue Straße die römische Nekropole.
        Welterbestätten in Syrien (Graphik mit MapCreator 2.0 Free Edition)
        In Palmyra wurden in den letzten Jahren immer wieder militärische Truppenbewegungen bekannt. Im September stellte APSA 2011 ein Video auf YouTube, das schweres Baugerät - Radlader und LKW - mitten im Ruinengelände zeigt. Ob es sich hier um Raubgrabungen oder eher um illegale oder militärische Baumaßnahmen handelt, bleibt unklar. Zusammengestellt sind die einschlägigen Meldungen wieder im Damage Newsletter:
        National Geographic verweist auf Dura Europos, das mit Raubgrabungstrichtern überzogen sein soll.
        Dura Europos - Größere Kartenansicht
        Die israelische Zeitung ArutzSheva/ IsraelNational News stellt die Bedrohung einer Synagoge des 3. Jh. v.Chr in Dura Europos besonders heraus:
        Irak
        Aktuelle Schadensberichte aus dem Irak sind mir noch nicht bekannt, da sich noch keine Social Media Plattformen gebildet haben, die für Syrien eine wesentliche Quelle darstellen. Eine Meldung von AFP, basierend auf einem Experten-Treffen bei der UNESCO in Paris gibt eine erste Einschätzung: 
        Konkret genannt werden allerdings nur die Zerstörungen und die Plünderung des Museums in Mossul sowie die Verbrennung von 1500 historischen Manuskripten aus verschiedenen Konventen. 
        Erfolgsmeldung
        Aus all den Meldungen der Zerstörung sticht die Haltung von Maamoun Abdulkarim heraus. Angesichts des Kriegs und des Chaos sei bisher das schlimmste verhindert worden. Die meisten Museumsbestände seien in sichere Depots evakuiert und selbst in Raqqa, das sich jetzt im Herrschaftsgebiet des IS befindet, seien immer noch Denkmalpfleger aktiv, die sich um den Schutz des Kulturerbes bemühen und mit den IS-Extremisten verhandeln. In Raqqa seien die bislang schlimmsten Verluste an Museumsgut entstanden, da der IS 500 Museumsobjekte im Tresor der Zentralbank in die Hände gefallen seien. Gleichwohl wurden aus Deir-ez-Zor, das inzwischen ebenfalls von IS besetzt ist, wichtige Funde mit Helikoptern ausgeflogen.
        Die Schäden am Krak des Chevaliers, in Palmyra und im Kloster Maaloula seien relativ gering und könnten restauriert werden. Die größte Gefahr sieht Abdulkarim derzeit in den Raubgrabungen, die etwa in Apameia und Ebla in industriellem Maßstab erfolgten.
        Das Grab des Süleyman Shah
        Am 30.9. haben IS-Kämpfer die türkische Exklave um das (nicht originale) Mausoleum des Süleyman Shah umstellt. Im März sollte das Mausoleum als türkischer Kriegsvorwand genutzt werden, danach war die Türkei gegenüber IS vorsichtiger (siehe Ein Denkmal als Kriegsvorwand? - Syrien im März 2014. Archaeologik (2.4.2014).

        Abdulkarim Maamoun
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        Abdulkarim Maamoun, dem
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        1 Kommentar:

        Ray Karl hat gesagt…

        Nur am Rande bemerkt: spannender Weise trotz all des huffing and puffing zahlreicher Kulturgüterschützer spricht scheinbar kaum einer von diesen tatsächlich mit dem Militär. Ich war gerade die ganze letzte Woche auf dem internationalen "Coping with Culture 2014"-Workshop in der österreichischen Landesverteidigungsakademie, wo von Kulturgüterschutzexperten des österreichischen Bundesheeres über deren amerikanische Gegenstücke bis hin zu hochrangigen Generälen einiges da war, aber kaum irgendwer aus der akademischen Welt...