Montag, 28. Oktober 2013

Mittelalterliche Agrartechniken - 10. Ruralia Konferenz

Ein Gastbeitrag von Iris Nießen


Welche Formen landwirtschaftlicher Produktion sind im mittelalterlichen Europa bekannt? Welche Quellen stehen zur Verfügung? Wo sind regionale Unterschiede und Gemeinsamkeiten feststellbar? Was sind die Gründe für Stabilität und Veränderungen in agrarischen Landschaften? Welche Bedeutung haben Feldstrukturen? Warum entstehen offene Feldlandschaften? Welchen Einfluss haben neue Technologien auf die Siedlungsformen? Wie wurde agrarische Technologie verbreitet? Wie sind einzelne Produktionsprozesse nachzuvollziehen? Welche Bedeutung hat die experimentelle Archäologie?

Diese und viele weitere Fragen standen im Zentrum der 10. internationalen RURALIA-Tagung vom 9.-15. September 2013 zum Thema: Agrarian Technology in the Medieval Landscape. Gastgeberland in diesem Jahr war die Slowakei - Kulisse die Burg Smolenice, nahe Bratislava.

RURALIA ist ein internationaler Verband, der zu archäologischen Themen des ländlichen Mittelalters forscht. Benannt nach ihrem ersten Präsidenten Jean-Marie Pesez, fand die erste Konferenz 1995 in Prag statt. 37 internationale Beiträge beleuchteten das Thema Agrarian Technology in the Medieval Landscape aus unterschiedlichen Perspektiven. Viele Regionalstudien machten Unterschiede in ländlichen Landschaften deutlich. Wiederkehrende Punkte waren beispielsweise die Feld- und Flurform, das in- und outfield-system sowie Veränderungen in Technologie und Landschaft.

Das Freilichtmuseum von Modrá in Tschechien mit Rekonstruktionen des großmährischen Zentralortes rund um Staré Město (Foto I. Nießen)
Als Studentin der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (Bamberg) hatte ich Gelegenheit an dieser renommierten Tagung teilzunehmen. Persönlich interessierte mich der Aspekt, inwiefern die Siedlungsweise durch Landwirtschaft geprägt wird. So entspringen Streusiedlungen oder zentrale Ortskerne unterschiedlichen Organisationsformen landwirtschaftlicher Produktion. Ebenso lassen Flurformen, wie beispielweise offene Feldlandschaften, Rückschlüsse auf gesellschaftliche Strukturen zu. Insgesamt dominierten landschaftsarchäologische Fragestellungen und Herangehensweisen die Tagung, während das Verständnis einzelner Produktionszweige und Technologien in den Hintergrund rückte.
Besonderer Reiz der Tagung war die Internationalität. Frankreich, Deutschland, Niederlande, Tschechien, Slowakei, Österreich und Belgien waren ebenso vertreten wie Dänemark, Finnland, Luxemburg, Großbritannien, Ungarn, Irland, Italien, Norwegen, Russland, Spanien und Schweden. Durch den ausgewählten Kreis der Teilnehmer entstand eine konzentrierte, ergebnisorientierte und freundschaftliche Arbeitsatmosphäre. Ebenso boten die internationalen Vorträge ein breites Spektrum an Themen und Fragestellungen. Beeindruckt hat vor allem die große Vielfalt an Landschaftsbildern und unterschiedlichen Subsistenzstrategien innerhalb des mittelalterlichen Europas.
Abgerundet wurde die Tagung durch zahlreiche Exkursionen zu ausgewählten Orten in der Slowakei und Tschechien. Neben Burgen und Befestigungsanlagen in Trenčin, Červený Kameň und Nitra, standen auch Freilichtmuseen mit Schwerpunkt auf ländliche Gesellschaften auf dem Programm. So das Freilichtmuseum von Rožnov pod Radhoštem, das neben historischen Gebäuden vor allem durch die Rekonstruktion von Handwerksbetrieben wie Wassermühlen, Hammerwerke und Sägeanlagen in Aktion beeindruckte. Auch konnten einzelne Produktionsschritte im Eigenversuch nachvollzogen werden.
Die Tagung machte deutlich, wie wichtig die Erforschung von agrarischer Technologie für unser Verständnis von Landschaftsentwicklung sowie allgemein mittelalterlicher Lebensweise und Gesellschaftsstrukturen ist.

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Iris Nießen studiert Archäologie des Mittelalters an der Universität Bamberg. Ihr Interesse gilt der Landschaftsarchäologie und insbesondere Jagddenkmälern. Zur Zeit arbeitet sie an ihrer Master-Arbeit über Opferfunde aus dem Dom in Chur.

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