Donnerstag, 19. April 2012

Charles Darwin, der Kot der Würmer und die Archäologie

Charles Darwin, 1881
(Foto H.R. Barraud)
(public domain
[Wikimedia Commons])
Vor 130 Jahren ist Charles Darwin verstorben, am 19.4.1882. In seinem letzten Buch, 1881 erschienen, befasste sich der große Biologe mit Würmern. Aber: archäologische Beobachtungen spielten dabei eine wichtige Rolle. Darwin nutzte archäologische Fundstellen, um zu kalkulieren, welche Ausmaße die Bodenverlagerung durch Würmer hat.

Bisweilen stützte er seine Beobachtungen auf laufende Grabungen, teilweise ließ er seine Söhne gezielt graben. Darwins Profilaufnahme in der Villa von Abinger an einer laufenden Grabung zeigt dabei den typischen Grabungsschnitt entlang der Mauer, der die stratigraphischen Anschlüsse schon zerstört hat. Relativ genau dokumentierte Darwin die Bodenschichten - weit genauer als dies viele Archäologen damals für notwendig hielten.

In Abinger ließ Darwin einen römischen Fußboden reinigen und zählte dann sieben Wochen lang Tag für Tag die Häufchen von Wurmkot, die darauf wieder zu finden waren.


In Stonehenge ließ er zwei Profile an umgestürzten Steinen anlegen.


Weitere Untersuchungen nahm Darwin in Beaulieu abbey in Hampshire, einer römischen Villa bei Chedworth und in der Basilica in Silchester vor.

Darwins Experimente zogen sich über eine längeren Zeitraum hinweg. So beobachtete er über 30 Jahre hinweg, wie durch Regenwürmer Kalkstückchen von der Oberfläche bis 18 cm tief in den Boden eingearbeitet wurden.
Mit seiner These, dass die Regenwürmer eine zentrale Rolle bei der Boden- und Humusbildung spielten, wurde Darwin einer der Wegbereiter der Bodenbiologie. Seine Wirkungen auf die Archäologie waren trotz der Aufnahme von Grabungsschnitten eher indirekt. Darwins Forschungen hatten das Potential, die Entstehung archäologischer Fundplätze besser zu verstehen, im Sinne der "formation processes", die seit den 1960er Jahren durch Michael B. Schiffer ins Blickfeld gerieten. "Archaeologists ought to be grateful to worms, as they protect and preserve for an indefinetely period every object, not liable to decay, which is dropped on the surface of the land, by burying it beneath their castings" (S. 308f.)
Darwins Bedeutung für die Archäologie liegt aber in den weitreichenden Implikationen seiner Evolutionstheorie für die Typologie.

In Darwins Korrespondenz finden sich immer wieder Hinweise auf archäologische Funde, die ihm seine Briefpartner zukommen ließen. Die Darwin Correspondence Database macht die Briefe online zugänglich (z.B. W.B. Dawkins 1869 zu Grabungen in den Rhagatt-Höhlen).

    Literaturhinweise

    • Charles Darwin, The formation of vegetable mould: through the action of worms, with observations on their habits (New York 1882) - bei GoogleBooks
    • David R. Montgomery, „Dreck“. Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert (München: Oekom Verlag 2010).

    1 Kommentar:

    KCB hat gesagt…

    Was mögen die Zeitgenossen gedacht haben, als der Weltstar Darwin Würmerhaufen auf Ausgrabungen zählte? Zwei ergänzende Hinweise:
    Die Wikipedia hält einen als "exzellent" erkannten Artikel zur Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer bereit. Und: Er konnte sich bei seinen Arbeiten auf eine Abhandlung eines 23-jährigen Studenten stützen, der die Systematik skandinavischer Regenwürmer erarbeitet hatte. Der eigentlich kaum bekannte Gustav Eisen, der in seinem späteren Leben unter anderem grundlegende Arbeiten zu antiken Glasperlen verfasste.
    Vielleicht ein Hinweis, das archäologische Fragen im Alter eine besondere Faszination aufweisen?