Samstag, 28. Januar 2012

Zerkabelt - allmähliche Zerstörung eines merowingerzeitlichen Grabes

Geislingen an der Steige, Gräberfeld 'Mühlwiesen',
Notbergung im Auftrag des LDA sowie der Kreisarchäologie Göppingen,
November 1994
(Foto: R. Schreg)
Kein aktueller Fund, aber ein Grabungsfoto, das drastisch die allmähliche Zerstörung archäologischer Befunde zeigt und deutlich macht, wie wichtig eine archäologische Betreuung vor Ort ist: Der etikettierte dunkle Schichtblock in der Bildmitte ist der letzte Rest eines durch Leitungsgräben weitgehend zerstörten merowingerzeitlichen Grabs. Kopf und Beine des/der Bestatteten sind durch Wasser- und Telefonleitung schon lange - undokumentiert - abgegraben.
Funde gab es keine mehr, aber dennoch war die Lokalisierung des Grabes wichtig, um die Ausdehnung und Belegungsdichte des Gräberfeldes abschätzen zu können. Das wiederum ist entscheidend, um die lokale Bevölkerungsdichte in der Merowingerzeit abzuschätzen.

Mittwoch, 25. Januar 2012

Kriminalarchäologie in Karlsruhe

Vom 24.1. bis zum 28.5.2012 zeigt das Badische Landesmuseum in Karlsruhe die Ausstellung Kriminalarchäologie.
Dazu der Beitrag der SWR Landesschau aktuell v. 24.1. (swr online)

Die Ausstellung wurde 2010 auf dem Hauptbahnhof in Mainz gezeigt. Sie informiert über das zunehmende Problem der Plünderung archäologischer Fundstätten, der Zerstörung historischer Quellen und die Rolle des Kunstmarkts. Sie stellt einige Kriminalfälle der vergangenen Jahre dar.

Siehe auch
Nachtrag (25.1.):

Sonntag, 22. Januar 2012

ZDF animiert Raubgräber

Die "Dokumentation" des ZDF "Auf der Jagd nach verlorenen Schätzen", gesendet am 17.1.2012 über Schätze in Deutschland, thematisierte die Fundumstände des Wettiner-Schatzes und das Phänomen-Schatzsucher in Deutschland. Obgleich der Beitrag Archäologen wie Schatzsuchern unverständlich gegenüber steht - die einen werden als unfähig, die anderen als wahnsinnig oder krankhaft dargestellt - macht er doch Werbung für dieses Hobby. "Es gibt noch viele Schätze in Deutschland, die darauf warten, gefunden zu werden". Mit keinem Wort wird erwähnt, dass damit das gemeinsame historische Erbe privater Neugier, Vergnügen - oder schlimmer noch - Gier geopfert wird. Fundumstände und -kontexte werden zerrissen und die Objekte sind allenfalls noch als schöne Andenken zu bewerten, aber nicht mehr als eine Quelle, aus der wir über die Menschen der Vergangenheit, ihre Sorgen und Nöte lernen können. Ein Raubgrabungsloch zerstört den Kontext der Funde. Nur ganz nebenbei wird zur Schatzsuche erwähnt, dass das "eigentlich" verboten sei.
In den Überleitungen werden Luftbilder mittelalterlicher Burgen gezeigt, bei denen es sich durchweg um geschützte Bodendenkmäler handelt, auf denen Bodeneingriffe untersagt sind. Ebenso wenig wird darauf hingewiesen, dass der Schatzgräber nur bedingt das Eigentum an seinem Fund erwirbt und Gefahr läuft, sich der Unterschlagung strafbar zu machen - gegenüber dem Land oder dem Grundstücksbesitzer.

Die meisten Detektoren-Händler sind da noch verantwortungsbewusster, indem sie (meist) auf die rechtlichen Einschränkungen hinweisen -  inzwischen werben sie aber einfach mit dem Hinweis auf die ZDF-Sendung.

Zahlreiche Fachleute, aber auch ernsthaft an Geschichte Interessierte haben sich inzwischen beim ZDF über den Beitrag beschwert. Selbst rechtliche Schritte werden geprüft.

Kein Ruhmesblatt für einen öffentlich-rechtlichen Sender, der Kultur und Geschichte damit nachhaltig beschädigt hat. Schade ist das umso mehr, als dass das ZDF mit dem preisgekrönten Film "Blutige Schätze" eigentlich bewiesen hat, dass es das Thema auch mit der nötigen Problematisierung angehen kann.

Die Reaktionen waren daher auch vielfach sehr negativ, wenn auch die Wenigsten das Kernproblem erkannt haben:
Vielleicht wäre etwas Qualität ja doch auch gut für die Quote?


Donnerstag, 19. Januar 2012

Jungneolithische Pflugspuren

Archaeology News Network: Oldest evidence of ploughing found in Czech land
Unscheinbare Pflugspuren Mitte des 4. Jahrtausends v.Chr. in Prag sind ein hochinteressanter Befund: Im Jungneolithikum unterlag die Landwirtschaft einer grundlegenden Transformation, wobei die Nutzung tierischer Arbeitskraft neben neuen Landnutzungssystemen (Brandrodungs-Wander-Feldbau beim Ausgriff auf zunehmend schlechtere Böden) zu den wichtigsten Neuerungen zählten.

Montag, 16. Januar 2012

Kein Kanal, sondern eine Kette schiffbarer Becken - neue Studien zur Fossa Carolina

Fossa Carolina bei Graben (Foto R. Schreg)
Ein Forscherteam um Christoph Zielhofer hat geoarchäologische Untersuchungen an der Fossa Carolina durchgeführt. Postuliert wird nun, dass es sich nicht um einen Kanal, sondern um eine Kette wasserführender Becken gehandelt hat, über die die europäische Hauptwasserscheide mit Booten überwunden werden konnte.
Der in der Vergangenheit in karolingische Zeit datierte und als Teil eines Wasserreservoirs für den Kanal interpretierte Damm bei Dettenheim hat sich - jedenfalls in der erfassten Substanz - als frühneuzeitlich erwiesen.




Fossa Carolina - Größere Kartenansicht

Die Frage nach der Wasserversorgung des Kanals - oder der Teiche - ist derzeit wieder offen. Im einen wie im anderen Falle, setzt der Bau wie der Betrieb der fossa Carolina weitere Infrastruktur voraus. Hier wären weitergehende archäologische Prospektionen - am besten wohl mittels großflächiger geophysikalischer Prospektion - ein dringendes Desiderat.

Neue archäologische Untersuchungen (bzw. Auswertungen) in der Region jedenfalls lassen die Landschaft an der Altmühl als eine hochinteressante Durchgangsregion der Karolingerzeit erscheinen. Dabei war die fossa Carolina allerdings nur als eine von mehreren Nord-Süd-Verbindungen.


Literaturhinweise
ResearchBlogging.org Eva Leitholdt, Christoph Zielhofer, Stefanie Berg-Hobohm, Katharina Schnabl, Britta Kopecky-Hermanns, Jens Bussmann, Joachim W. Härtling, Klaus Reicherter, & Katrin Unger (2012). Fossa Carolina: The First Attempt to Bridge the Central European Watershed - A Review, New Findings, and Geoarchaeological Challenges. Geoarchaeology 27, 88-104 (doi 10.1002/gea.21386).


  • P. Ettel, Der Main als Kommunikations- und Handelsweg im Frühmittelalter - Fossa Carolina, Burgen, Königshöfe und der überregionale Handelsplatz Karlburg. In: Flüsse als Kommunikations- und Handelswege. Rivers as communication and trade routes. Marschenratskolloquium 2009. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 34 (Rahden/Westf 2011) 201–226. 
  • J. Haberstroh, Frühes Mittelalter an der Schutter: eine klösterliche cella in der villa rustica von Nassenfels, Lkr. Eichstätt. Germania 87, 2008 (2011), 221–263. 
  • V. Herrmann, Die frühmittelalterliche Burg "Greuth" in der Schwarzachaue bei Greding-Obermässing, Lkr. Roth. Beitr. Arch. Mittelfranken 8, 2008, 209–232.
  • C. Later, Die Propstei Solnhofen im Altmühltal. Untersuchungen zur Baugeschichte der Kirche, zur Inszenierung eines früh- und hochmittelalterlichen Heiligenkultes und zur Sachkultur. Materialh. Bayer. Vorgesch. 95 (Kallmünz 2011).
  •  

Nachtrag (12.1.2015):

Inzwischen liegen umfangreichere Forschungen vor:
  • Christoph Zielhofer/ Eva Leitholdt/ Lukas Werther/ Andreas Stele/ Jens Bussmann/ Sven Linzen/ Michael Schneider/ Cornelius Meyer/ Stefanie Berg-Hobohm/ Peter Ettel: Charlemagne's Summit Canal: An Early Medieval Hydro-Engineering Project for Passing the Central European Watershed. PLOS one (Published: September 24, 2014) - DOI: 10.1371/journal.pone.0108194